Flechte
Flechten sind sehr genügsame Lebewesen. Sie können in sehr trockenen und kalten, aber auch sehr feuchten und heißen Regionen überleben.
Eigentlich sind Flechten keine Pflanzen, sondern bestehen aus einem Pilz und einer Alge. In der Fachsprache werden Flechten als symbiotische Lebensgemeinschaften zwischen einem Mykrobionten (einem Pilz) und einem Fotobionten (einer Alge) bezeichnet. Die Algen, die in diese Lebensgemeinschaft mit den Pilzen treten, sind Blaualgen. Flechten können aber auch eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Pilz und Cyanobakterien (Blaugrüne Bakterien) sein.
Allgemein
Auf der ganzen Welt gibt es etwa 25 000 (fünfundzwanzigtausend) verschiedene Flechtenarten, von denen allein 2 000 in Mitteleuropa vorkommen.
Ihren botanischen Namen bekommen die Flechten immer von dem Pilz, aus dem sie gebildet sind. Erst durch den Zusammenschluss mit dem Fotobionten (einzellige Pflanze) entwickeln die Flechten ihre typische Form.
Die Wissenschaft der Flechten ist übrigens die Lichenologie oder Flechtenkunde.
Aussehen
Flechten können ganz unterschiedlich aussehen und gefärbt sein.
Je nachdem, wie die Flechte aufliegt und wie sie wächst, wird zwischen den einzelnen Arten unterschieden.
Krustenflechten sind mit ihrem Untergrund so fest verwachsen, dass sich nicht abgelöst werden können, ohne zerstört oder zumindest beschädigt zu werden. Sie kommen auf den Felsen des Hochgebirges oder auch auf Betonmauern vor.
Laub- oder Blattflechten liegen ziemlich locker auf ihrem Untergrund auf. Sie wachsen auf Moosen genau so wie auf Steinen. Diese Flechtenart hat ihren Namen daher, dass sie ein wenig einem Blatt ähnlich sieht.
Strauchflechten wachsen in die Höhe und sehen Sträuchern ähnlich. Der Untergrund für diese Flechtenart kann Erde oder ein Fels sein. Sie wachsen aber auch auf Bäumen.
Gallertflechten sind so dunkel gefärbt, dass sie beinahe schwarz aussehen. Diese Flechtenart quillt richtig auf und wird gallertartig, sobald sie feucht wird.
Aufbau
Den Träger des Organismus „Flechte“ bildet der Pilz. Eingeschlossen in den Pilzfäden befinden sich die einzelligen Pflanzenzellen.
Flechten sind meistens in mehreren Schichten aufgebaut. Die unterste Schichte (e) einer Flechte wird aus wurzelartigen Pilzfäden und der so genannten unteren Rinde (d) gebildet. Mit dieser Schichte ist die Flechte fest auf dem Untergrund verankert.
Anschließend folgt eine Schichte, die aus einem lockeren Pilzgeflecht ohne Algen besteht und Markschicht (c) genannt wird.
Über dieser Schichte liegt die so genannte Algenschichte (b). Hier sind die Algen- oder Bakterienzellen im lockeren Pilzgeflecht eingebettet.
Die oberste Schichte der Flechte wird auch obere Rinde (a) genannt und besteht meist aus einem sehr dichten Pilzgeflecht.
Ernährung
Flechten sind wahre Hungerkünstler. Nachdem sie nicht die Möglichkeit haben, ihren Wasserhaushalt selbst zu regeln, verwandeln sie sich bei langer Trockenheit in leblose Gebilde. Nur in diesem Zustand können sie so große Temperaturschwankungen wie in der Wüste oder hohe ultraviolette Strahlung auf den Bergen überstehen.
Eine Flechte kann auch nach vielen Jahren wieder zum Leben erweckt werden – einfach, indem sie befeuchtet wird. Der leblose Zustand der Flechte wird auch als Ruhestarre bezeichnet. Wenn die Flechte wieder zu Feuchtigkeit kommt, saugt sie sich an wie ein Schwamm und der Stoffwechsel wird wieder aktiviert. Jetzt können die Pflanzenzellen wieder aktiv werden und den Pilz über Fotosynthese ernähren.
Nachdem Flechten, die im Hochgebirge oder der Wüste beheimatet sind, immer wieder große Trockenphasen durchleben, wachsen diese nur sehr langsam. Krustenflechten wachsen pro Jahr zum Beispiel nur wenige zehntel Millimeter. In subtropischen Nebelwäldern oder in der Nähe der Meeresküsten können Flechten viel schneller wachsen. Hier können es sogar mehrere Zentimeter pro Jahr sein.
Lebensraum
Flechten bewohnen nahezu alle Gegenden der Erde. Sie können allerdings nur dort gedeihen, wo sie nicht von anderen Pflanzen überwuchert werden. Ist die Umgebung des Standortes sehr feucht, bekommen sie schnell Konkurrenz von Moosen.
Um überleben zu können, benötigen Flechten nicht viel. Die Nährstoffe des Regenwassers und Mineralstoffe aus dem Staub der umgebenden Luft sind absolut ausreichend.
Aufgrund ihres Aufbaus und ihrer niedrigen Ansprüche können Flechten auf blanken Felsen im Hochgebirge (bis etwa 5 000 Meter Seehöhe!) genauso gut überleben, wie in der Antarktis oder in der Wüste. Befinden sich Flechten in der Trockenstarre, überleben sie Temperaturen zwischen -47° bis +80°C.
Fortpflanzung
Fortpflanzen kann sich bei der Flechte nur der Pilz. Er bildet Sporen – das sind seine Samen – aus, die durch die Luft verbreitet werden können.
Nachdem diese Sporen winzig klein sind, kann sich so ein Pilz sogar über die ganze Welt verbreiten. Die Sporen können, sobald sie größere Höhen erreicht haben, sehr weite Strecken fliegen. Die Symbiose zwischen Pilz und Alge kann aber erst dann erneut stattfinden, wenn beide so genannten Symbionten eine Hungerperiode durchleben und einander – aus Nährstoffmangel – benötigen.
Manche Flechtenarten vermehren sich aber auch durch kleine Auswüchse, die durch den Wind vertragen werden. In diesem Fall müssen sich Pilz und Alge nicht erst erneut finden, sondern beginnen gemeinsam von Neuem.
Flechten können übrigens mehrere hundert Jahre alt werden. Es wird sogar berichtet, dass es in Grönland Landkartenflechten gibt, die bereits mehr als 4 500 (viertausendfünfhundert) Jahre alt sein sollen.
Verwendung
Flechten wurden ursprünglich als Nahrungsmittel verwendet. In Japan wächst eine Flechte, die sogar noch heute als Delikatesse in der Suppe oder als Salat zubereitet wird.
Flechten dienten und dienen aber auch als Heilmittel. Besonders in der Homöopathie werden sie verwendet. Durch ihre vielen Inhaltsstoffe sind Flechten aber auch für der Pharmazie (Arzneimittelkunde) interessant.
Außerdem werden von verschiedenen Flechtenarten immer noch Farbstoffe für das Färben von Stoffen und Wolle gewonnen.
Eine besondere Verwendung finden einige auf Baumrinden wachsende Flechtenarten. Diese besonderen Flechten reagieren sehr stark auf Luftverschmutzung. An ihnen kann der Grad der Luftbelastung durch Schadstoffe abgelesen werden. Diese Flechten werden deshalb auch als Bioindikatoren bezeichnet.