Der böse Torwächter

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Wien war von einer Stadtmauer umgeben - Domenico Cetto (Foto: Yelkrokoyade) commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0




Das alte Stubentor - BERMANN, Moriz (Scan: The British Library) commons.wikimedia.org, CC0 1.0




Reste der Stadtmauer beim Stubentor - Gugerell commons.wikimedia.org, CC0 1.0




Die Brücke über den Wienfluss beim Stubentor führte in die Landstraße - Jacob Hoefnagel (1609) / Claes Jansz Visscher (1640) commons.wikimedia.org, CC0 1.0

Die heutige Innere Stadt war früher von einer Stadtmauer umgeben. Zahlreiche Tore ließen den Verkehr hindurch, doch in der Nacht waren sie verschlossen und bewacht. Wollte man in der Nacht in die Stadt, musste man mit dem Torhammer anklopfen, und der Wächter öffnete es gegen ein kräftiges Trinkgeld.


Einmal war eine arme alte Dame bei ihren Verwandten in der Landstraße und verspätete sich. Das Stubentor war bereits geschlossen. Die Alte klopfte an das Tor. Der Wächter, der aus seinem Schlaf gerissen wurde, erkannte sofort, dass hier kein Trinkgeld zu machen war, und schrie: "Für gemeine Leute bleibt das Tor bis Sonnenaufgang geschlossen."


Die alte Frau wollte nicht glauben, dass es so unfreundliche Menschen gab, und klopfte nochmals. "Was willst du noch hier? Ich kann das Tor nicht aufschließen. Der Schlüssel hängt so hoch, dass ich ihn nicht erreichen kann!", verlautete der Wächter.


Die alte Frau musste die Nacht im Freien verbringen. Bevor sie sich bei einem nahen Baum niederließ, rief sie dem Wächter vor Ärger zu: "Von nun an soll der Schlüssel so hoch hängen, dass du ihn wirklich nicht mehr erreichen kannst!"


In der kommenden Nacht kehrte ein wohlhabender angesehener Bürger mit seinem Pferd von einer langen Reise zurück. Er klopfte ans Stubentor. Der Wächter erkannte den Reichen und rief: "Ich komme sofort, gnädiger Herr!"

Er wollte nach dem Schlüssel greifen, aber im Schein seiner Laterne musste er erkennen, dass eine große fette Spinne ihr Netz um den Schlüssel gesponnen hatte und ihn mit ihren Fäden immer höher hinaufzog.


Der Wächter stellte sich auf einen Sessel, aber er konnte den Schlüssel nicht erreichen. Der reiche Bürger wurde ungeduldig und ermahnte den Wächter. Dieser rief: "Herr, ich kann den Schlüssel nicht erreichen. Eine Spinne hat ihn hochgezogen!"

Der Reiche fühlte sich verspottet, bestieg sein Pferd und ritt zu einem anderen Stadttor, wo er eingelassen wurde.


Der Wächter hatte inzwischen einen Tisch an die Wand gestellt, um den Schlüssel zu bekommen. Er stieg hinauf, der Tisch kippte um, und der Mann verletzte sich am Bein.


Am nächsten Tag beschwerte sich der reiche Bürger beim Rat der Stadt. Er war der Ansicht, dass der Wächter zuviel getrunken hatte und daher so frech war.

Zwei Tage später wurde der Wächter ins Rathaus gerufen. Immer wieder beteuerte er dem Bürgermeister seine Unschuld.


Dieser glaubte die Geschichte mit der Spinne natürlich nicht, sondern gelangte zur Ansicht, dass der Wächter tatsächlich betrunken gewesen sein musste. Er versetzte ihn zu einer schlecht bezahlten Arbeit, bei der er keinen Schaden mehr anrichten konnte.

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